Die Landesregierung ist angetreten mit dem Versprechen ein ökologisch fundiertes und ein den Interessen des Tierschutzes entsprechendes Jagdgesetz in der laufenden Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Ansatzweise ist das mit dem vorliegenden Jagd- und Wildtiermanagementgesetz (JWMG) gelungen. So wird die Baujagd auf Füchse und Dachse erheblich eingeschränkt (nur noch am Kunstbau möglich), Hunde und Katzen dürfen nur noch in Ausnahmefällen mit Genehmigung getötet werden, die Verwendung von Totschlagfallen wurde eingeschränkt, Schüsse in Vogelschwärme sind nicht mehr erlaubt und im März/April gilt eine weitgehende Jagdruhe.
Mit dem jetzt vorliegenden Entwurf zur Durchführungsverordnung (DVO) wird deutlich, dass sich insgesamt aus der Sicht des Tierschutzes nur sehr wenig ändert. Der Entwurf zur Jagdverordnung enthält nach wie vor zahlreiche Tierarten, die ausschließlich aus einem Freizeitinteresse getötet werden. Sie werden nicht gegessen, sie verursachen keinen volkswirtschaftlichen Schaden und sie stellen keinen nennenswerten ökologischen Schaden an.
Wir fordern das Land Baden-Württemberg auf, die anstehende Jagdverordnung nicht nach ideologischen Aspekten und den Freizeitinteressen einer Bevölkerungsminderheit, sondern allein nach Erkenntnissen aus der Wildtierforschung jagdunabhängiger Wissenschaftler und Institutionen auszurichten.
Im Sinne des Tierschutzgesetzes fordern wir eine Aussetzung von generellen Jagdzeiten für alle Tierarten, die in der Regel nicht oder kaum verzehrt werden und eine Harmonisierung und Kürzung der Jagdzeiten für Schalenwild (Wildschweine, Rehe, Hirsche, u.a.).
Begründung:
§ 10 Jagdzeiten
Wir fordern alle Jagdzeiten insgesamt zu harmonisieren, keine gesonderten vom Alter oder vom Geschlecht der Tiere abhängigen Jagdzeiten auszuweisen und die Jagd am Gemeinwohl und ökologischen Kriterien auszurichten anstatt an den Interessen einer Minderheit von im Wesentlichen Sportschützen. Für die meisten in der DVO aufgeführten Jagdzeiten gibt es nach dem Tierschutzgedanken keinen vernünftigen Grund.
Mit der Ausweisung der meisten Jagdarten tragen Bündnis 90/Die Grünen das zu Grabe, was sie vor über 20 Jahren ins Grundgesetz eingebracht haben: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“
Durch lange oder wie z.B. für Wildschweine permanente Jagdzeiten werden alle bejagten Tiere dauerhaft beunruhigt und scheu. Dies führt zu einem permanenten Meideverhalten jedem Menschen gegenüber. Als Folge werden viele sonst tagaktive Arten nachtaktiv und ziehen sich in ungestörte Bereiche zurück und konzentrieren sich dort.
Für den Bürger bedeutet dies, dass er kaum in der Lage ist, Arten mit Jagdzeiten zu beobachten.
Für den Waldnaturschutz und für die Forstwirtschaft (keine natürliche Verjüngung, Baumverjüngung nur hinter kostenintensiven Zäunen) hat dies zu Folge, dass sich die wiederkäuenden Paarhufer (z.B. Rehe) in ungestörten Waldbereichen konzentrieren. Da sie als Wiederkäuer auf fortlaufende Nahrungszufuhr angewiesen sind, schädigen sie dort intensiv den Baumbestand.
Selbst bei der exorbitant dichten Wildschweinpopulation stellt sich die Frage, ob diese so hoch ist trotz oder wegen der Jagd und der angewandten Jagdmethoden. Ständige Eingriffe zerstören das Sozialgefüge und führen kombiniert mit Futtermittelausbringung dazu, dass sich auch bereits junge Wildschweine ganzjährig fortpflanzen und durch Futtermittel auch jüngste Wildschweine den Winter überleben.
Eine Bejagung zwischen April bis Juli führt zu einer massiven Störung der Fortpflanzung zahlreicher, auch seltener Arten. Insbesondere die Jagd im Mai ist extrem störungsintensiv und führt z.B. zu Brutabbrüchen auch seltener Vogelarten.
1. Rotwild, 2. Damwild, 3. Sikawild, 4. Rehwild, 5. Gamswild, 6. Muffelwild, 7. Schwarzwild
Die Jagdzeit für Schalenwild sollte ausschließlich die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember umfassen.
Begründung: Die Reduzierung der Jagdzeit für Schalenwild auf drei Monate im Herbst/Winter eines Jahres führt insgesamt zu einer Reduzierung des ansonsten kontinuierlichen Jagddrucks. Alle Wildtiere hätten dann die Möglichkeit ihre Jungtiere unbeeinträchtigt von ganzjähriger jagdlicher Beunruhigung aufzuziehen. Mit einer entsprechenden Reduzierung der Jagdzeiten für Schalenwild würde die DVO einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Natur einschließlich der Belange des Tierschutzes leisten. Dennoch wäre die Möglichkeit der jagdlichen Nutzung dieser Tierarten nicht signifikant eingeschränkt, da im vorgeschlagenen Zeitraum auch bisher die meisten Tiere getötet werden.
Während im September z.B. Ricken teilweise noch ihre Kitze versorgen, sollte spätestens zum 1. Januar die für viele Tiere harte Winterzeit berücksichtigt werden. Die Jagd in den Wintermonaten führt gerade bei Schalenwildarten zu Verletzungen und zu hohem Energieverlust, der dann zum Teil durch Pflanzenverbiss kompensiert wird.
8. Dachs
Wir fordern: keine Jagdzeit für den Dachs
Es gibt keine ökologischen, ökonomischen oder epidemiologischen Gründe, den Dachs überhaupt flächendeckend zu jagen. Die Dachsjagd hat keine nachhaltige Wirkung auf die genannten Faktoren – es handelt sich in den meisten Fällen um reine Spaß-Jagd. Eine Verwertung der Tiere findet nur in den seltensten Fällen statt. Jungdachse bleiben in vielen Fällen 12 Monate und länger im Familienverbund. Dadurch ist auch das Töten von erwachsenen Tieren unter dem Gesichtspunkt des Elternschutzes kritisch zu betrachten. Die Tiere leben in einem festen Sozialgefüge, welches auch die Reproduktion nachhaltig einschränkt. Aus der Sicht des Tierschutzes ist es vollkommen untragbar, bereits ab dem 1. Juni eines Jahres den Jungtieren am Bau nachzustellen und dieses Gefüge zu stören.
9. Fuchs
Wir fordern: keine Jagdzeit für den Fuchs
Es gibt keine ökologischen, ökonomischen oder epidemiologischen Gründe, den Fuchs überhaupt flächendeckend zu jagen. Die Fuchsjagd hat keine nachhaltige Wirkung auf die genannten Faktoren und trägt auch nicht nachhaltig zu einer Bestandsregulierung bei. Der Fuchs wird in der Regel nicht verwertet. Die Jagd trägt bei dieser Tierart zu einem enormen Geburtenelend bei. Wie bei den Dachsen halten wir eine Störung der Tiere bereits während der Aufzucht am Bau für inakzeptabel. Fuchsjagd ist in der Regel nichts als „Freizeit-Schießen“. Gerade zu den Rotfüchsen gibt es seit Jahrzehnten etliche Literatur von anerkannten Fuchsforschern, die belegt, dass sich Fuchsbestände selbstständig regulieren und dass in der Regel keine negativen Einflussfaktoren vom Fuchs für die Umwelt ausgehen. Der Fuchs spielt als Aasfresser und Mäusevertilger eine signifikante Rolle in der Natur. Er trägt durch die Entnahme von kranken und reaktionsschwachen Beutetieren nachhaltig zum Erhalt von gesunden Beutetierbeständen bei.
10. Hermelin, 11. Marderhund, 12. Mink, 13. Nutria, 14. Steinmarder, 15. Waschbär, 17. Baummarder, 19. Iltis
Wir fordern: keine Jagdzeit für Beutegreifer
Es gibt keine ökologischen, ökonomischen oder epidemiologischen Gründe, diese Tiere überhaupt flächendeckend zu jagen. Eine generelle, landesweite Jagd auf Prädatoren ist zudem zum Schutz seltener Arten wirkungslos. Da diese Tiere in der Regel nachtaktiv sind und deshalb mittels Falle gejagt werden, wäre auch die Anwendung der Fallenjagd obsolet.
16. Wildkaninchen
Die Jagdzeit für Wildkaninchen sollte im Hinblick auf eine Harmonisierung der Jagdzeiten auf den 1. Oktober bis 31. Dezember angepasst werden.
18. Feldhase
Der Feldhase ist nur noch in wenigen Regionen von Baden-Württemberg vertreten. Sein Bestand nimmt deutschlandweit seit Jahren tendenziell ab. Wir empfehlen, keine generelle Jagdzeit für Feldhasen zu definieren.
20. Blässhuhn, 22. Höckerschwan, 23. Kanadagans, 24. Nilgans, 26. Reiherente, 28. Stockente, 31. Graugans, 32. Pfeifente, 33. Schnatterente
Wir fordern: keine Jagdzeit für Vögel
Gerade bei der Vogeljagd, die auf fliegende Vögel durchgeführt wird, werden die Arten oft nicht erkannt und geschützte und seltene Arten gesetzeswidrig getötet. Dies erfolgt besonders häufig bei der Wasservogeljagd. Hier wird zudem oft in der Dämmerung gejagt, was die Bestimmung der Arten nochmals erschwert.
Die Jagdausbildung bietet nicht die Gewähr, dass die Jäger die jagdbaren Arten oder solche mit ganzjähriger Schonzeit von Jagdbeute unterscheiden können. Die Artbestimmung ist nicht nur vor dem Schuss unzureichend; selbst wenn die toten Vögel eingesammelt wurden, fehlt nach Information von anerkannten Artensachverständigen vielfach das Fachwissen zur Bestimmung.
Daher sollte die Vogeljagd vollständig eingestellt werden. Eine Verwertung dieser Vogelarten findet in der Regel nicht statt. Es gehen auch keine signifikanten ökologischen, ökonomischen oder epidemiologischen Risiken von diesen Vögeln aus.
21. Elster, 25. Rabenkrähe, 27. Ringeltaube, 29. Türkentaube
Wir fordern: keine Jagdzeit für Vögel
Die hier genannten Arten werden ebenfalls keiner Verwertung zugeführt. Bei der Krähenjagd werden zahlreich geschützte Arten wie Saatkrähe, Dohle und Kolkraben erlegt. Die Jagd auf diese Vögel ist alles andere als nachhaltig, sie führt im Wesentlichen zur zeitlich begrenzten Vergrämung – was bedeutet, dass zum Beispiel Rabenkrähen bei Schusswechsel lediglich den Acker wechseln oder sich in befriedeten Bereichen, z.B. in den Städten niederlassen. Die Vermeidung z.B. von durch Rabenvögel in kleinem Umfang ausgehenden landwirtschaftlichen Schäden kann durch andere Mittel als die Jagd erreicht werden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Jäger lebende Ringeltauben oder Türkentauben töten dürfen. Für den Schießsport reichen Tontauben.
30. Fasan
Im Sinne der Harmonisierung der Jagdzeiten, empfehlen wir, auch für Fasanen keine Jagdzeit einzuräumen.
34. Waldschnepfe
Die Waldschnepfe ist ein Zugvogel, dessen Bestand in den vergangenen Jahrzehnten signifikant zurückgegangen ist. Wir fordern, der Waldschnepfe keine Jagdzeit einzuräumen.
Weder aus ökologischen noch aus seuchenrelevanten Gründen ist es erforderlich eine der oben genannten Arten landesweit zu bejagen. Beutegreifer (Fuchs, Marder, Waschbär, Iltis etc.) haben zudem wichtige Funktionen in der Natur.
Waldschnepfe und Feldhase sind in Baden-Württemberg ganz oder lokal im Bestand gefährdet. Volkswirtschaftlich relevante Schäden gehen von keiner der oben genannten Tierarten aus. Es gibt keine wissenschaftlich haltbaren Belege dafür, dass die Jagd auf diese Tierarten zu einer Reduzierung von möglichen Schäden in der Gesamtheit beiträgt. Eine flächendeckende Bejagung der genannten Arten ist auch aus ökologischen Gründen nicht nachvollziehbar.
Ferner fordern wir, keinen Totfang mit Fallen zuzulassen und eine genehmigungsfreie Fallenjagd auf Jungfüchse, aber auch auf andere Beutegreifer nicht zuzulassen.
Wir fordern das Land Baden-Württemberg des Weiteren auf, die Jagd auf alle Schalenwildarten (Wildschweine, Rehe, Damwild etc.) auf die Monate Oktober, November und Dezember zu beschränken.
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